Medizinisches Cannabis hat eine Vielzahl therapeutischer Anwendungsgebiete. Es kann Schmerzen [1] und Krämpfe [2] lindern, Migränesymptome reduzieren [3], Schlafstörungen mildern [4], gegen Übelkeit wirken [5], den Appetit fördern [6] und sich angstlösend auswirken [7]. Bei sachgemäßer Anwendung weist es vergleichsweise geringe Nebenwirkungen auf.[8] Dennoch erfordern auch Cannabispräparate eine sorgfältige Abstimmung mit anderen therapeutischen Maßnahmen, Medikamenten und dem Gesundheitszustand von Patient:innen. In diesem Beitrag erfahren Sie, welche Kontraindikationen gegen eine Behandlung mit medizinischem Cannabis sprechen und welche Vorsichtsmaßnahmen bei der Cannabistherapie gegebenenfalls zu erwägen sind.
Was sind Kontraindikationen?
Kontraindikationen sind Faktoren, die gegen die medizinische Anwendung eines Medikaments oder einer Therapieform sprechen. Darunter fallen Arzneimittelwechselwirkungen mit medizinischem Cannabis, aber auch mögliche Nebenwirkungen durch Vorerkrankungen. Die Prüfung möglicher Kontraindikationen ist in der medizinischen Praxis obligatorisch, um eine adäquate Therapieform zu finden und das Wohlbefinden von Patient:innen sicherzustellen. Dazu gehört eine enge Absprache der behandelnden Mediziner:innen mit den Patient:innen, sowie eine fundierte Expertise über die entsprechende Behandlungsform.
Für wen gelten Bedenken bei der Verwendung von medizinischem Cannabis?
Da medizinisches Cannabis unter ärztlicher Anweisung Schritt für Schritt dosiert und an die Bedürfnisse von Patient:innen angepasst wird, lässt sich das Risiko von Nebenwirkungen effektiv reduzieren.[9] Es handelt sich bei korrekter Anwendung also um ein relativ schonendes Arzneimittel. Dennoch gibt es eine Reihe von Kontraindikationen, unter denen die Cannabistherapie Nachteile bergen könnte.
Schwere psychische Erkrankungen
Für Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen, darunter Psychosen, Schizophrenie und dissoziative Identitätsstörungen, ist medizinisches Cannabis aufgrund der psychoaktiven Wirkung von Tetrahydrocannabinol (THC) eher ungeeignet. Bei bereits bestehendem Krankheitsbild kann es Symptome auslösen und zum Teil verstärken. [10]
Herzerkrankungen
Da die unmittelbare Wirkung von Cannabis, insbesondere THC, einen anregenden Effekt auf das Herz-Kreislauf-System haben kann, ist bei Herzerkrankungen Vorsicht geboten. Cannabis kann den Blutdruck und die Herzfrequenz erhöhen, was bei einem ohnehin belasteten Herzen mit Risiken einhergeht. Je nach Krankheitsbild ist individuell zu klären, ob eine Cannabistherapie dennoch angebracht sein kann.[11]
Lungenerkrankungen
Lungenerkrankungen, wie zum Beispiel Asthma, sprechen nicht grundsätzlich gegen eine Cannabistherapie. Einschlägige Studien, die Risiken zu bedenken geben, beziehen sich vorrangig auf das Rauchen von Cannabis [12], das in der therapeutischen Anwendung jedoch nicht vorgesehen ist.[9] Dennoch kann das Inhalieren von Cannabispräparaten mithilfe eines
Vaporisators bei Menschen mit geschädigten Lungen Nebenwirkungen hervorrufen. Orale oder sublinguale Cannabispräpate, mithin Cannabisöle, stellen in diesem Fall eine mögliche Alternative dar. Spezifische Bedenken sind im Einzelfall jedoch nicht auszuschließen. Die Beratung durch sachkundige Ärzt:innen ist daher dringend angeraten.
Schwangerschaft und stillende Mütter
Bisher ist nicht bekannt, welche genauen Auswirkungen die Einnahme von Cannabis während der Schwangerschaft haben kann. Es bestehen Hinweise auf Folgen für das ungeborene Kind und den Schwangerschaftsverlauf. Dazu gehören eine größere Wahrscheinlichkeit von Entwicklungs- und Aufmerksamkeitsstörungen sowie psychischen Auffälligkeiten und ein gesteigertes Stressempfinden. Allerdings beziehen sich diese Aussagen nicht auf den therapeutischen Gebrauch von medizinischen Präparaten.[13] Im Schwangerschaftsverlauf besteht die Möglichkeit, dass Cannabis ein erhöhtes Auftreten von Bluthochdruck erzeugt. Einzelne Studien verweisen zudem auf eine erhöhte Gefahr von Präeklampsien.[14] Aufgrund der schwierigen Datenlage und teils widersprüchlicher Studienergebnisse wird Schwangeren aus Sicherheitsgründen von einer Cannabisbehandlung abgeraten.
Das durch Cannabispräparate eingenommene THC überträgt sich auf die Muttermilch und kann sich daher auch auf den Säugling auswirken. Es ist weitere Forschung erforderlich, um das genaue Risikopotenzial von Cannabis während der Stillzeit zu bewerten. Stillenden Müttern ist die Cannabistherapie daher nicht zu empfehlen.[15]
Suchtverhalten
In einer medizinischen Cannabistherapie kann das Abhängigkeitsrisiko minimiert werden. Menschen, die bereits in der Vergangenheit an Suchterkrankungen litten, neigen jedoch unter erhöhtem Risiko dazu, eine Abhängigkeit zu entwickeln. Häufig wird in diesen Fällen von einer Cannabistherapie abgeraten.[16]
Arzneimittelwechselwirkungen mit medizinischem Cannabis
Es sind bisher nur wenige negative Wechselwirkungen von medizinischem Cannabis mit anderen Medikamenten bekannt. Dennoch sind gerade diese Fälle zu berücksichtigen, um einen einwandfreien Therapieplan zu formulieren.
Bekannte Wechselwirkungen
Cannabis beeinflusst mehrere CYP-Enzyme in der Leber. Diese sind für den Abbau vieler Medikamente verantwortlich. Dadurch kann Cannabis je nach Dosis die Wirkung unsachgemäß verstärken.[17] Davon betroffen sind zum Beispiel Gerinnungshemmer wie Warfarin oder Phenprocoumon. Durch den gehemmten Abbau der Wirkstoffe steigt das Blutungsrisiko.[18]
Betäubungs- und Beruhigungsmittel, mitunter Schlafmittel, können unter Einfluss von Cannabis ebenfalls stärker wirken als im Therapieplan vorgesehen. Es besteht ein erhöhtes Risiko von Stürzen und vorübergehenden motorischen Einschränkungen. Bei Antidepressiva, insbesondere trizyklischen, können Nebenwirkungen wie Schwindelgefühl und Herzrasen zunehmen.[19]
Gründliche Anamnese durch erfahrene Cannabisärzte ist erforderlich
Um ungewünschte Wechselwirkungen auszuschließen ist es wichtig, die Cannabistherapie (auch unter Berücksichtigung spezifischer Präparate und Darreichungsformen) in Einklang mit der bisherigen Krankheits- und Medikationsgeschichte von Patient:innen zu bringen. Dafür ist die Expertise von Ärzt:innen erforderlich, die über besondere Fachkenntnisse hinsichtlich der Anwendungsgebiete, Chancen und Grenzen von medizinischem Cannabis verfügen.
Medizinisches Cannabis in Deutschland
Die Behandlung mit medizinischem Cannabis ist bereits seit 2017 einer breiten Öffentlichkeit als alternative Therapieform zugänglich. Seit dem 01.04.2024 ist anstelle eines Betäubungsmittelrezepts nur noch ein herkömmliches Arzneimittelrezept erforderlich, um Cannabispräparate in der Apotheke erwerben zu dürfen. Das Rezept dürfen grundsätzlich alle behandelnden Ärzt:innen nach eigener medizinischer Einschätzung ausstellen.
Die Voraussetzung ist eine Aussicht auf Linderung der vorliegenden Symptome. Ein spezifisches Krankheitsbild ist nicht erforderlich, um die Verschreibung zu legitimieren.[20]
Mögliche Kostenübernahme durch die Krankenkasse
Bei schweren Erkrankungen oder ausbleibendem Therapieerfolg durch andere Medikationen können Krankenkassen die Kosten für die Behandlung mit medizinischem Cannabis übernehmen.[21] Findet keine Kostenübernahme durch die Krankenkasse statt, erfolgt die Verschreibung über ein Privatrezept. Dabei tragen die Patient:innen die Kosten für medizinische Cannabispräparate selbst.
Zusammenfassung
Medizinisches Cannabis birgt viele therapeutische Möglichkeiten, erfordert jedoch sorgfältige Abwägung möglicher Kontraindikationen und Wechselwirkungen. Besondere Vorsicht ist bei schweren psychischen Erkrankungen, Schwangerschaft und Stillzeit sowie bei Patient:innen mit Suchterkrankungen geboten.
Die Beratung durch erfahrene Ärzt:innen mit Expertise im Bereich der Cannabistherapie gewährleistet einen maßgeschneiderten Therapieplan, der Kontraindikationen vermeidet und unerwarteten Wechselwirkungen vorbeugt.
Wenn Sie erfahren möchten, ob Sie für eine Cannabistherapie in Frage kommen, können Sie sich kostenlos bei nowomed registrieren. Anschließend haben Sie Zugang zu unserem Anamnesebogen. Nachdem Sie diesen ausgefüllt haben, können Sie ein Erstgespräch mit unseren Ärzt:innen buchen. Darin erhalten Sie Auskunft über Ihre Eignung für die Behandlung mit Cannabis, werden umfassend über den Therapieverlauf aufgeklärt und erhalten Antwort auf jede Ihrer Rückfragen. Im Falle einer Eignung wird Ihnen außerdem das Erstrezept ausgestellt, mit dem Sie das für Sie passende Cannabispräparat in der Apotheke kaufen dürfen.
Häufig gestellte Fragen
Wer sollte kein medizinisches Cannabis verwenden?
Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen, Herzerkrankungen oder Suchterkrankungen sind für die Behandlung mit medizinischem Cannabis eher ungeeignet. Auch schwangere und stillende Frauen sollten auf die Anwendung von medizinischem Cannabis verzichten.
Hat medizinisches Cannabis Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten?
Cannabis weist eine Reihe von Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten auf. Diese sollten vor der therapeutischen Anwendung geprüft werden. Dazu gehören vorrangig Gerinnungshemmer wie Warfarin, Antidepressiva und Beruhigungsmittel.
Ist medizinisches Cannabis in Deutschland legal?
Ja, medizinisches Cannabis ist in Deutschland ein verschreibungspflichtiges Medikament und darf von allen Ärzt:innen (mit Ausnahme von Zahn- und Tierärzt:innen) verschrieben werden.
Was sind die Voraussetzungen für den Zugang zu medizinischem Cannabis in Deutschland?
Um in Deutschland medizinisches Cannabis in der Apotheke erwerben zu dürfen, ist ein Arzneimittelrezept erforderlich. Das Anwendungsgebiet von medizinischem Cannabis ist groß. Es kann zum Beispiel bei Schmerzen, Migräne, Angststörungen, Schlafproblemen, Appetitlosigkeit und Übelkeit zum Einsatz kommen. Für die Verschreibung von Cannabis wird kein spezifisches Leiden vorausgesetzt. Es muss jedoch nach Auffassung der behandelnden Ärzt:innen eine Linderung der Symptome in Aussicht stehen.
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